Eisenbahnrecht
Das Eisenbahnrecht ist ein höchst Interessantes Sondergebiet meiner anwaltlichen Tätigkeit.
Rechtlich ist es geprägt durch hoheitliche Anordnungen, aber auch private Verträge. Diese Mischung ist das Resultat aus der Privatisierung des ehemals staatlichen Eisenbahnbetriebes. Hinzu kommt, dass die Bearbeitung der Fälle im Eisenbahnrecht Verständnis für die dortige Technik voraussetzt. Dies ist neben der Technik der Lokomotiven vor allem Sicherheitstechnik. Bearbeite ich also einen Eisenbahnunfall, muss ich die Vorschriften und die Technik prüfen.
Nur mit diesen Spezialkenntnissen konnte ich ein Eisenbahnverkehrsunternehmen vor einer teuren Haftung und dessen Lokomotivführer vor der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft bewahren.
Als ich in diesem Bahnfall beauftragt wurde, waren das Eisenbahnbundesamt als Aufsichtsbehörde, die Polizei und die Geschädigten bereits davon überzeugt, dass nur der Lokführer unserer Mandantschaft an dem Unfall schuld sein kann.
Er hatte mit einer Lok unserer Mandantschaft eine 300 Meter lange Reihe von Flachwagons durch einen Tunnel zu einer Baustelle geschoben. Selbstverständlich konnte er aufgrund der Länge dieser geschobenen Abteilung nicht mehr sehen, was sich vor deren Spitze abspielte. Deshalb befand sich auf dem vorderen Flachwagon ein Rangierbegleiter, mit dem er über Funk verbunden war. Trotzdem stieß die Spitze der geschobenen Abteilung kurz hinter dem Ausgang des Tunnels gegen einen anderen Zug, der vorher über eine Weiche dort hingefahren und abgestellt worden war.
Beim Anstoß wurden mehrere Personen verletzt und es entstand ein Sachschaden im sechsstelligen Bereich. Die Schuld hierfür wurde sofort dem Lokführer unserer Mandantschaft zugeschrieben, da alle Beteiligten in der Kategorie des klassischen Auffahrunfalls dachten, bei dem immer der Schuld ist, der auffährt. Wer aber die Regeln der Eisenbahn kennt, weiß, dass ein Lokführer bei einem solchen Unfall eine Vielzahl von Sicherheitseinrichtungen ignoriert haben müsste. Also überprüfte ich alle Sicherheitseinrichtungen, die unser Lokführer vor dem Anstoß passiert hatte. Zu meiner Überraschung musste ich feststellen, dass alle sechs Sicherheitsvorkehrungen versagt hatten. Deshalb wusste unser Lokführer gar nicht, dass er in eine Bahnbaustelle einfährt und dass dort ein anderer Zug steht. Zunächst war ihm nämlich vom Sicherheitsingenieur nicht die veränderte Streckenlage mitgeteilt worden. Als nächstes hatte der Fahrdienstleiter ihn ebenfalls ohne Hinweis darauf weiterfahren lassen. Dann hatte man am zu passierenden Gleis eine Wärterhaltescheibe entfernt. Weiterhin hatte der Zugführer des vorangegangenen Zuges, auf dem später der Anstoß stattfand, vergessen, zu melden, dass die von ihm genutzte Weiche wieder zurückzustellen ist. Um diese Weiche hatte sich wiederum auch nicht der am Unfallort zuständige Fahrdienstleiter gekümmert. Schließlich hatte der Rangierbegleiter vorne auf der geschobenen Abteilung den Luftbremskopf falsch angebracht, so dass er keine Notbremsung hatte auslösen können.
Nach dem ich die Gesamtverhältnisse dargestellt hatte, wurden alle Vorwürfe gegen unsere Mandantschaft fallen gelassen. Es forderte auch niemand mehr Schadensersatz.